Atommüll und kein Ende: Messung von Luftradioaktivität in privater Hand

Die Bürgeraktion Müll und Umwelt e.V. hat ihr Messgerät an der Kläranlage Bergrheinfeld in unmittelbarer Nähe zum Atomkraftwerk Grafenrheinfeld im April 2023 erneuert, um auch weiterhin unabhängig und in privater Hand Messungen zur Überwachung der Luft-Radioaktivität in der Umgebung durchführen zu können. „Aufgrund der weiterhin vorhandenen und über die Jahre weiterwachsenden Risiken durch die Atommüll-Lagerungen auf dem AKW-Gelände Grafenrheinfeld haben wir uns zu diesem umfassenden Update der Geräte entschlossen“, so Dr. Peter Möhringer, Vorsitzender der Bürgeraktion „Müll und Umwelt e.V.“ bei einem Vor-Ort-Termin. Die Gemeinde Bergrheinfeld unterstützt das Vorhaben, indem sie ein Betriebsgebäude an der dortigen Kläranlage weiterhin für die Betreibung des Messgerätes zur Verfügung stellt.

„Wir sind froh, dass es solche unabhängigen Organisationen gibt, die eigene Messungen durchführen und somit einen Schutzindikator mehr bieten, falls es zu erhöhten Werten kommt“, so Ulrich Werner, Bürgermeister von Bergrheinfeld.

„Wir, Bergrheinfeld mit dem Ortsteil Garstadt, sind ganz nah dran und ein Restrisiko bleibt immer bestehen“, ergänzt er seine Aussagen.

Messgerät zur Messung der Luft-Radioaktivität an der Kläranlage Bergrheinfeld in unmittelbarer Nähe zum Atomkraftwerk Grafenrheinfeld.
Oben links im Bild das Geiger-Müller-Zählrohr des Messgerätes. Beim Vor-Ort-Termin von links nach rechts: Ulrich Werner (Bürgermeister von Bergrheinfeld), Johannes Neupärtl (Stellv. Vorsitzender der Bürgeraktion), Dr. Peter Möhringer (Vorstandsvorsitzender der Bürgeraktion) sowie Thomas Geißler (Vorstandsmitglied Bürgeraktion)

Weiterhin Risiko durch Atommüll
Die Messstation an der Kläranlage Bergrheinfeld betreibt die Bürgeraktion „Müll und Umwelt“ schon seit vielen Jahren, ein Update war jetzt aber notwendig, um wieder auf den Stand der Technik zu kommen. Für Dr. Peter Möhringer ist zwar durch die Abschaltung des Atomkraftwerks 2015 die Gefahr eines GAU´s gebannt, aber es bleibt das Zwischenlager für hochradioaktive Brennelemente (BELLA) mit momentan 54 belegten von 88 Castor-Stellplätzen. Leider bestehe hier weiterhin eine Gefahr durch Attentate und schwere Unfälle wie zum Beispiel Flugzeugabsturz. Hinzu kommt für ihn auch die Unsicherheit wegen hoher Belastung der Hüllrohre durch Strahlung, Hitze und Druck. „Es gibt keine Erfahrung mit langer Lagerung in diesen Castor-Behältern und bereits ein Castor kann etwa die Menge strahlendes Material wie beim Tschernobyl-GAU enthalten“, so Dr. Peter Möhringer. Hinzu kommt laut Bürgeraktion auch noch ergänzend seit 2021 das Risiko durch eine Bereitstellungshalle (BeHa) für die Lagerung von schwach- und mittelstark strahlenden Materialien. Diese kommen aus dem AKW-Abbau Grafenrheinfeld und seit ein paar Wochen auch aus Atommüll-Transporten aus Würgassen. Hinsichtlich dieser Atommüll-Transporte wünscht sich der Umweltverein auch noch mehr Parteien übergreifenden Widerstand durch die Lokalpolitik, auch wenn die Entscheidungen maßgeblich in Berlin getroffen werden. „Als Anlieger-Gemeinde lehnen wir dieses zusätzliche Risiko und die damit einhergehenden unnötigen Transporte ebenso entschieden ab“, ergänzt Bürgermeister Ulrich Werner.

Vielseitige Messnetze weltweit notwendig
Belastend sieht Peter Möhringer auch die allgemeine Situation in ganz Europa. Viele alte Anlagen in Frankreich, Belgien, Tschechien, Ungarn der Slowakei sowie in Bulgarien. Auch die Frage was passiert in Saporischschja in der Ukraine, mit 5,7 GW das größte AKW in Europa treibt ihn um. Für ihn sind wegen dieser Gefahren Messnetze weiterhin nötig, schließlich hat der Mensch keinen Sensor für Radioaktivität. Auch wenn es die zuverlässige Kernkraftfernüberwachung KfÜ des Landesamts für Umweltschutz in Bayern gibt, so sind private Anlagen zur Kontrolle für ihn zusätzlich sinnvoll und relevant. Ein Beispiel kennt Peter Möhringer persönlich durch seine Verbindungen nach Ungarn. Ein dortiger Unfall in der Stadt Paks wäre nicht ohne private Messungen aufgedeckt worden, berichtet er.

Was misst die Bürgeraktion mit welchen Geräten?
„Mit dem Messgerät an der Kläranlage Bergrheinfeld messen wir Gamma-Strahlung. Die Anlage mit integriertem Mikroprozessor misst die Orts-Dosis-Leistung in Nano Gray pro Stunde (nGy/h)“, erläutert Peter Möhringer. Eine starke Erhöhung der Messwerte würde daraufhin deuten, dass irgendwo etwas passiert ist. „Für detaillierte Auswertungen gibt es dann andere Geräte mit mehr Möglichkeiten und Institute, das ist nicht mehr unser Part“, so der Vereinsvorsitzende. Momentan betreibt der Verein vier Stationen in unterschiedlichen Entfernungen und Himmelsrichtungen zum AKW Grafenrheinfeld im Landkreis Schweinfurt. An ein Messereignis erinnert sich Peter Möhringer noch ganz genau, als die Bürgeraktion 1996 bei der damaligen Atommüll-Verladung in Gochsheim mit den eigenen Geräten einen Spitzenwert von 1260 nGy/h gemessen hatte wobei das Monatsmittel damals im Schnitt bei 150 nGy/h lag. „Damit konnten wir beweisen, dass die Verladungen des Atommülls in Gochsheim sehr wohl eine stark erhöhte Belastung darstellten.“, so Möhringer abschließend.

Das Messgerät im Inneren des Gebäudes an der Kläranlage Bergrheinfeld.

Die Bürgeraktion „Müll und Umwelt“ wiederholt, auch angesichts des jetzigen Würgassen-Themas und den wieder aufkeimenden Diskussionen zur Nutzung der Atomkraft, die Forderung zum konsequenten sofortigen Ausstieg aus der Kernkraft weltweit. Denn zusätzlich zum Risiko eines Super-Gaus bei noch laufenden Anlagen, bleibe die Atommüll-Lagerung für unsere und die nächsten Generationen eine riesige Belastung. Die Alternativen sind vorhanden und entwickelten sich rasch weiter, eine dezentrale Energiewende mit Erneuerbaren Energien und neuer Speichertechnik ist die Zukunft, zeigt sich der Umweltverein überzeugt.