Viele Impulse für kommunales Klimamanagement – Bürgerbeteiligung als Erfolgsfaktor

Info-Tour der Bürgeraktion „Müll und Umwelt e.V. Schweinfurt“
Großes Interesse fand die Informations-Tour der Bürgeraktion „Müll und Umwelt e.V. Schweinfurt“ im September 2023 zum Klimamanager Stefan Richter nach Münnerstadt. Er nahm vor Ort bei einem Rundgang durch die Altstadt die über 40 interessierten Teilnehmer mit auf eine Reise über die gesellschaftlichen Möglichkeiten im Klimamanagement. Sein Credo: ökologisch, ökonomisch und sozial muss man die Projekte in einer Kommune angehen. Es gehe nicht darum, die Leute zu missionieren, sondern vielmehr darum, die Bevölkerung mitzunehmen und einzubinden. Für ihn stand am Anfang die Frage, was hat der Ort für eine Geschichte und für ein Potenzial, und was können wir als Kommune daraus machen? Bei einem Rundgang durch die Altstadt zeigte der Klimamanager, was bereits angestoßen oder schon umgesetzt wurde und was zukünftig noch geplant ist.

Die erste Informationsstation war der Treffpunkt M17 am Marktplatz, ein gemeinsamer Bürgerraum, den verschiedenste Vereine und Initiativen bereits heute intensiv nutzen. Zur Verfügung gestellt von der Stadt mit Moderationstechnik und einer Küche sowie Infrastruktur für Veranstaltungen. Neuestes Projekt darin ist ein Repair Café, welches durch ehrenamtliche Bürgerinnen und Bürger mehrmals jährlich durchgeführt wird. „Bei den ersten Veranstaltungen wurden wir bereits überrannt, so groß war der Andrang“, berichtete Oliver Zimmer, ein Mitorganisator des Cafés. „Unsere Aufgabe dabei war es auch die notwendige Infrastruktur zu schaffen, wie zum Beispiel der Kauf von Werkzeugen für das Reparieren“, so Richter.

Klimaschutz fängt in der Innenstadt an
Dass Klimaschutz oft auch mit kleinen Projekten startet, verdeutlichte Richter an einem Staudenbeet, das er zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern vor der Stadtpfarrkirche plante und umsetzte.

Zum Klimaschutz in einer Kommune gehören für ihn auch die nachhaltige Wiederbelebung der Innenstädte mit möglichst wenig Verssiegelung und Ressourcenverbrauch, indem bereits vorhandene Flächen oder Gebäude genutzt werden. Als Beispiel hierfür erläuterte er vor einer ehemaligen Gärtnerei das dort in Planung befindliche Projekt „Treibhaus“, wo auf dem alten leerstehenden Gelände eine moderne Wohnbebauung in Nähe der Ortsmitte entstehen soll. Auch hier ist für ihn die Bürgerbeteiligung der Schlüssel zum Erfolg. Mehr als 150 Menschen hatten sich an der Bürger-Werkstatt beteiligt. „Was die Arbeitskreise dabei erstellt haben, ist die Basis für die Machbarkeitsstudie des gerade stattfindenden Städtebaulichen Wettbewerbs geworden“, so Richter. „Dank unserer konsequenten Bürgerbeteiligung sowie eines nachhaltigen und ganzheitlichen Ansatzes wurden wir als einziger Vertreter aus Unterfranken zur Modellkommune im LANDSTADT BAYERN Projekt des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr ernannt.“, so Richter.

Ein zweites Beispiel für die Innenentwicklung steht kurz vor der Eröffnung. Um die Nahversorgung in der Innenstadt zu verbessern, entsteht dort gerade ein Mini-Supermarkt nach dem Konzept „Tante Enso“. Bei dieser Genossenschaftsform wird ein Lebensmittelladen erst dann gestartet, wenn sich mindestens 300 Gesellschafter aus der Bürgerschaft beteiligen. Diese Hürde wurde in Münnerstadt genommen – mit über 450 GenossInnen am Ende der sechswöchigen Zeichnungsfrist. Das Lebensmittelgeschäft ist an der Logistik eines Großkonzerns angebunden und wird kombiniert mit Angeboten von Lebensmitteln aus der Region.


100 Prozent Vollversorgung durch Erneuerbare Energie
„Als Kommune streben wir eine Vollversorgung der Stadt durch 100% erneuerbare Energien an. Das Ziel dabei ist es, möglichst viel in bürgerschaftlicher Hand und kommunaler Verantwortung zu belassen“, so Stefan Richter. In der Vergangenheit sei oft der Fehler gemacht worden, dass nur „über“ den ländlichen Raum, aber nicht „mit“ den Menschen und Kommunen im ländlichen Raum gesprochen wurde. Dies wird sich in den nächsten Jahren massiv ändern, denn der ländliche Raum wird benötigt, um die Städte mit Energie zu versorgen, zeigt sich Richter überzeugt. Und hier müsse es das Ziel sein, möglichst viel Wertschöpfung in der Region zu halten sowie die Belange der dortigen Landwirtschaft und des Landschaftsschutzes zu integrieren. Wie das gehen kann, zeige beispielhaft der Kriterienkatalog für den Ausbau der Freiflächenphotovoltaik der Stadt Münnerstadt. Darin sind Leitplanken und Rahmenbedingungen klar festgelegt und vermeiden so weitestgehend den Flächen-Ausverkauf an Großinvestoren außerhalb der Region. In Bezug auf die zukünftige Entwicklung soll es das Ziel sein, den Bürgern eine aktive, finanzielle Beteiligung bei der Errichtung der Anlagen in Münnerstadt zu ermöglichen. Hierfür berichtete Robert Bauer, Vorstand der Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Energiegenossenschaft Münnerstadt, über die Aktivitäten, Erfolge und Pläne der bereits seit 11 Jahren bestehenden hiesigen Energiegenossenschaft. „Bisher konnten die Anlagen über 8 Millionen Kilowattstunden Sonnenstrom erzeugen, dank eines bürgerschaftlichen Investments in Höhe von etwa 5,5 Millionen Euro.“

Einnahmen und Vergünstigungen sollen vor Ort bleiben
Wie der benötigte Strom regional erzeugt werden kann, zeigte im zweiten Teil der Info-Tour Gunter Häckner, Geschäftsführer beim Planungsbüro R3 RegionalEnergie, auf. Er informierte über den interkommunalen Bürgerwindpark Bildhäuser Forst. Östlich von Münnerstadt soll dabei in den nächsten Jahren unter der Beteiligung von sechs Kommunen und zwei Landkreisen sowie Bad Neustadt einer der leistungsstärksten Windparks Bayerns mit bis zu 15 Windanlagen und 100 Megawatt Nennleistung entstehen. Auch hier ist das Ziel, dass möglichst 100% der Wertschöpfung aus Stromerzeugung, Verteilung und Vermarktung in der Region bleiben. Dazu gehöre auch, dass möglichst viel Strom vor Ort den Bürgern und der Industrie und Gewerbe kostengünstig angeboten wird, ermöglicht durch Stromabnahmeverträge mit den ortsansässigen Stadt- oder Regionalwerken. Ebenso sollen die Flächen über Poolingverfahren und unter Einbezug möglichst vieler kommunaler Flurstücke erfolgen, so dass Pachteinnahmen, Gewerbesteuer und Rendite bei den Gemeinden in der Region bleiben. Bei den Bürgerversammlungen sei wenig Skepsis zu hören gewesen, was auch daran liege, dass die örtlichen Einnahmemöglichkeiten erkannt werden, so wie alles dafür getan werde, um nachteilige Auswirkungen wie zum Beispiel Schattenwurf oder blinkende Lichter komplett zu vermeiden. Und das Szenario geht auch noch weit über den Windpark hinaus. Zu einer klimaneutralen Region gehören laut Gunter Häckner auch die dazu benötigten regionalen Stromnetze sowie Speichermöglichkeiten bei Windflaute. Auch an diesen Konzepten werde bereits heute gearbeitet. So hat das Münnerstädter Planungsbüro R3 kürzlich Siemens den Auftrag für eine Studie erteilt, in der die Machbarkeit für eine großtechnische Wasserstoff-Produktion in der Region geprüft wird. Wasserstoff kann mit Hilfe von überschüssigem Strom erzeugt und gespeichert, um bei Flaute wieder rückverstromt oder in ein vorhandenes Gasnetz eingespeist zu werden. Sogar die überschüssige Abwärme bei der Wasserstoff-Erzeugung könne über Nahwärmenetze zusätzlich genutzt werden.